Neue Osnabrücker Zeitung
Exklusive Umfrage zu Klimaabgabe
Sollen klimaschädliche Produkte aus dem Ausland teurer werden? Jeder Zweite ist dafür!
Von Tobias Schmidt | 14.02.2024
In der EU gibt es längst einen Preis für CO2. Eine Klimaabgabe könnte auch klimaschädliche Produkte aus dem Ausland teurer machen.
CO2-Preise und Emissionshandel treffen Industrie und Verbraucher in Europa. Andere Länder machen sich beim Klimaschutz einen schlanken Fuß. Eine „Klimaabgabe“ für Nicht-EU-Produkte könnte das ändern. Eine Umfrage zeigt, was die Bürger davon halten.
Müssen Autos oder Kleidung teurer werden, wenn sie aus Ländern kommen, die nichts oder nur wenig gegen den Klimawandel unternehmen? Braucht es also eine „Klimaabgabe“ für Produkte aus China, Indien, Indonesien, Russland oder den USA, wo noch massiv und lange Zeit Kohle, Öl und Gas verfeuert werden?
Das wollte der Berliner Thinktank Kemb-Forum wissen und ließ das Insa-Institut mehr als 2.000 Bürger befragen. Das angesichts der Inflation doch überraschende Ergebnis der repräsentativen Umfrage, das unserer Redaktion exklusiv vorliegt: Fast die Hälfte (48 Prozent) spricht sich für eine solche „Klimaabgabe“ aus. 29 Prozent sind eher dagegen. Die übrigen 20 Prozent gaben keine Meinung an.
Am geringsten ist die Zustimmung übrigens bei jungen Erwachsenen (42 Prozent), am höchsten bei Menschen ab 70 Jahren (58 Prozent). In Westdeutschland liegt die Zustimmung bei 50 Prozent gegenüber 28 Prozent Ablehnung. In Ostdeutschland sind 40 Prozent dafür und 35 Prozent dagegen.
Die „Klimaabgabe“ berührt ein Kernproblem der Klimapolitik. In Europa gibt es längst eine CO2-Bepreisung. Unternehmen müssen Verschmutzungsrechte kaufen, die Kosten werden an Kunden weitergereicht.
Putin will überhaupt nicht auf fossile Brennstoffe verzichten
Aber Chinesen, Amerikaner oder Inder hinken den europäischen Klimaschutz-Ambitionen weit hinterher. Und Russlands Präsident Wladimir Putin verkündete gerade unverhohlen, überhaupt nicht auf fossile Brennstoffe verzichten zu wollen.
Der doppelte Negativ-Effekt: Wenn Autos statt bei uns in anderen Ländern CO2-intensiv und preiswert produziert werden, hilft das dem Klima nicht. Es ruiniert nur die heimische Industrie. Zurzeit werden energieintensive Branchen in der EU deshalb vor solchen Folgen geschützt.
Eine Klimaabgabe könnte beide Probleme eindämmen und „eine Lenkungswirkung erzielen“, sagt Martin Neumann, Vorsitzender des Kemb-Forums. „Der Verbraucher stimmt praktisch am Ladentisch über den Preis ab.“
Dennoch sei so ein Klimaschutz-Aufschlag ein „erheblicher Eingriff in den freien Markt“, der auch in Deutschland und Europa hergestellte Waren teurer machen könnte. Das gelte es abzuwägen, mahnt Neumann.
Zudem ist die Bereitschaft, für klimafreundliche Produkte mehr Geld zu bezahlen, sehr relativ. Einer von der Unternehmensberatung Boston Consulting beauftragten und vor einem Jahr veröffentlichten Umfrage zufolge würden die Deutschen bei Autos einen Aufschlag von maximal vier Prozent akzeptieren, nicht mehr.
Klimaabgabe als Alternative zu geplanten Klimaschutzzöllen der EU?
Das Problem mit den ungleichen Klimaschutz-Ambitionen in und außerhalb von Europa hat natürlich auch die EU seit Langem auf dem Schirm. Im vergangenen Oktober wurde die Erprobungsphase für den sogenannten CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) gestartet.
2026 soll das System scharf gestellt werden. Ab dann soll auf alle in die EU importierten CO2-intensiven Produkte automatisch eine Art Klimaschutz-Zoll erhoben werden.
Viele Details des Mechanismus sind allerdings noch unklar. Zum Beispiel, wofür die Einnahmen verwendet werden.