Diskurse

Strom und Wärme aus Wasserstoff: Leipzig setzt bundesweit Maßstäbe

Von Frank Viereckl

Der 23. Oktober 2023 ist für Leipzig ein Datum, das in die Geschichte der Stadt, des Freistaates Sachsen und sogar Deutschlands eingehen wird. An diesem Montag hat Leipzig das erste wasserstofffähige Heizkraftwerk Deutschlands offiziell in Betrieb genommen und der Öffentlichkeit vorgestellt. Nur gut zwei Jahren dauerte es von der Grundsteinlegung auf dem Gelände des Traditionsstandorts an der Bornaischen Straße 120 bis die Anlage ans Netz ging. Damit ist der wichtigste Meilenstein für eine nachhaltige Wärmeversorgung der größten Stadt Ostdeutschlands mit seinen über 625 000 Einwohnern auf dem Weg zu einer klimaneutralen Stromerzeugung und Wärmeversorgung im Jahr 2038 gelegt geworden. Mit dem Heizkraftwerk Süd nimmt Leipzig in Deutschland sogar eine Vorreiterrolle ein und kann auf Bundesebene zur Blaupause für eine nachhaltige kommunale Energieversorgung mit emissionsfreiem Wasserstoff als Energieträger der Zukunft werden.

Zu dem Bau des 188 Millionen teuren Projektes hatten sich Stadt, Stadträte und Stadtwerke entschlossen, als die Umsetzung der nationalen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung zu Beginn des Jahrzehnts noch in den Kinderschuhen steckte. Noch war unklar, ob die Wasserstofftechnologie in Deutschland überhaupt der Königsweg für die Transformation zu einer klimaneutralen Gesellschaft sein könnte. Klar war aber, dass die Zeit der zentralen Energieversorgung und damit auch die Abhängigkeit von Großkraftwerken mit fossilen Energieträgern in Deutschland zum Auslaufmodell werden würde und auch Kohleverstromung selbst in kleinen Kraftwerken angesichts der hohen klimaschädlichen Emissionen des fossilen Brennstoffs keine Zukunft mehr hat, zumal auch das damals noch diskutierte CCS-Verfahren mit der Verpressung von Kohlendioxid in der Erde nicht durchsetzbar war. Wollte Deutschland die Pariser Klimaschutzvereinbarungen der Vereinten Nationen von 2015 erfüllen und das Ziel erreichen, die Erderwärmung auf mindestens 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, war eine konsequente Dekarbonisierungsstrategie die logische Schlussfolgerung. Für Leipzig bedeutete dies den Ausstieg aus der Strom- und Wärmeversorgung durch das nahegelegene Braunkohlenkraftwerk Lippendorf.

Die Aufgabe für die Stadtwerke, die der Stadtrat in seiner Klimastrategie festgeschrieben hat, war damit klar umrissen: Leipzig brauchte Versorgungssicherheit, ökologisch nachhaltig vereinbar mit den Klimaschutzzielen und natürlich auch bezahlbar für seine Einwohner und Unternehmen. Nach diesem klassischen energiepolitischen Zieldreieck haben die Stadtwerke die Erzeugungsmöglichkeiten in einem Evaluierungsprozess ausgelotet. Geprüft wurden alle Optionen der Stromerzeugung aus dem Portfolio der Erneuerbaren Energien, von der Geothermie bis zur Photovoltaik und der Windkraft. Entschieden hat sich der Dachkonzern der Stadtwerke, die Leipziger Gruppe, schließlich für einen ökologischen Energiemix, der schwerpunktmäßig den Ausbau des Fernwärmenetzes vorantreibt. Das Heizkraftwerk Süd mit dem Einsatz von grünem Wasserstoff, der über Erneuerbaren Energien durch Elektrolyse erzeugt wird, sollte neben der industriellen Abwärme, Solarthermie, Power-to-heat- Anlagen Seite mit Wärmespeichern dabei das Herz dieses kommunalen energetischen Transformationsprozesses werde

Parallel muss eine Infrastruktur aufgebaut werden, die die Erzeugung und den Transport von Wasserstoff für das Kraftwerk sicherstellt. Das dauert und geht nicht von heute auf morgen. Es ist ein Prozess, der mit Blick auf die selbst gesteckte Zeitachse auf dem Weg zur Klimaneutralität zwar zügig vorangetrieben werden muss, aber die Kommune nicht vor unlösbare finanzielle und technische Probleme stellen darf. Die Lösung haben die Stadtwerke mit dem Dax-Unternehmen Siemens Energy und einer deutschen Spitzentechnologie gefunden:  Einem hochmodernen Gaskraftwerk, mit wasserstofffähigen Turbinen und einem Bruttogesamtwirkungsgrad von mehr als 94 Prozent, die das hohe finanzielle Investment der Stadtwerke auch über das Jahr 2038 hinaus noch betriebswirtschaftlich rechnet. Mit dieser Technology ist das Heizkraftwerk vom ersten Tag der Inbetriebnahme - wie vom TÜV zertifiziert - „H2 Readyness“ für eine klimaneutrale Produktion und passt damit perfekt in die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung.

Das Entscheidende ist also, dass die zwei SGT800-Siemens-Gastrubinen mit einer jeweiligen elektrischen Leistung von 62,5 MW von Anfang an bis zur völligen Umstellung sofort hohe Anteile von Anfang an grünem Wasserstoff verbrennen können. Der Abgasstrom der Turbinen wird in nachgeschalteten Heißwassererzeugern genutzt, um jeweils 81,5 MW thermische Leistung für die Wärmeversorgung der Leipziger Bürger bereitzustellen Diese technologische Option ermöglicht es den Stadtwerken, die Strom und Wärmeversorgung vollständig auf erneuerbare Technologien umzustellen. Mit dem Anfahren des Heizkraftwerk Süd sind das keine Absichtserklärungen mehr, sondern die Vision, Strom aus Wasserstoff zu erzeugen, ist Realität geworden. Für die Stadtwerke ist das der Weg in die energetische Zukunft Leipzigs und wahrscheinlich auch der für ganz Deutschlands.

Bis die Strom- und Wärmeversorgung mit grünem Wasserstoff und synthetischen Brennstoffen in den erforderlichen Mengen und zu bezahlbaren Preisen auf dem Markt zugekauft werden kann – gerechnet wird ab dem Jahr 2025 -, greifen die Leipziger Stadtwerke nun auf eine erdgasbasierte Kraft-Wärme-Kopplungsanlage als Brückentechnologie zurück. Die Kombination aus Gasturbinen samt modernster Brennertechnologie und Heißwassererzeugern plus dazugehöriger Katalysatoren ermöglichen den Betrieb mit minimalen Stickstoffoxid- und Kohlenmonoxid-Emissionen. Damit ist das Heizkraftwerk Leipzig Süd schon jetzt eines der emissionsärmsten Gasturbinenkraftwerke weltweit und garantiert kaum messbare Luftschadstoffe, die weit unter dem Niveau der gesetzlich zulässigen Grenzwerte liegen. Es setzt Maßstäbe. In er Erzeugung – und in der dezentralen Energieversorgung in einem Industrieland, das sich im Wandel befindet.

Dass ein kommunales Unternehmen und kein privater Konzern dieses Pilotprojekt der Energiewende in Deutschland stemmt, liegt auf der Hand: Denn welches Unternehmen kann besser auf die regionalen Bedürfnisse und Gegebenheiten eingehen als ein Stadtwerk? Kein anderes! Ein Stadtwerk ist seinen Einwohnern verpflichtet, wird vom Kommunalparlament legitimiert und kontrolliert und hat von der Preisgestaltung bis zu Investitionen immer eine direkte Rückkopplung zu den Kunden. Damit sorgt es dafür, was die Energiewende dringend zum Erfolg braucht: Akzeptanz in der Bevölkerung.

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